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Die Motoren des Segelflugs | | Drucken | |
Es ist ja doch irgendwie erstaunlich, daß sich ein Segelflugzeug mit einem Gewicht von teilweise über einer halben Tonne stundenlang in der Luft halten und ohne zusätzlichen Antrieb Strecken von mehreren hundert Kilometern zurücklegen kann. Flugstrecken von über 1000 km sind übrigens keine Seltenheit. Die Flüge werden im dezentralen Wettbewerb auf www.onlinecontest.org dokumentiert. Hier könnt ihr erfahren, welche Überlandflüge in der aktuellen Saison von der Dahlemer Binz aus durchgeführt wurden. Möglich werden diese Leistungen durch die hervorragenden Gleiteigenschaften von Segelflugzeugen. Moderne Hochleistungssegelflugzeuge haben zum Beispiel Gleitzahlen von 1:60, d.h. mit einer Höhe von 1 km kann man mit ihnen bei ruhiger Luft eine Strecke von 60 km zurücklegen.
Der Hangwind
Häufig wird Otto Lilienthal als erster Segelflieger bezeichnet, eine Aussage, über die sicher längere Abhandlungen geschrieben werden könnten. Tatsächlich war er einer der ersten, der die Kräfte, die auf natürliche Weise in der Atmosphäre wirken, für seine Flüge ausnutzte. Dabei benutzte er den gegen seinen Übungshügel in Berlin anblasenden Wind, um seine Luftsprünge schließlich auf eine Länge von über 300 m auszudehnen. Es gelang ihm, kurzzeitig höher zu fliegen, als sein Startplatz gelegen war, was nach heutiger Definition den Segelflug vom Gleitflug unterscheidet. Dieser Hangaufwind, der Lilienthals Flüge unterstützte, war die Energiequelle, die später die Segelflieger zuerst bewußt für sich ausnutzten. Dieser Aufwind ist in seiner Wirkungsweise auch am leichtesten zu verstehen: Ein Wind, der in der Ebene horizontal weht, wird durch ein Hindernis nach oben abgelenkt. Im aufsteigenden Teil des Luftstromes kann sich ein Segelflugzeug nach oben tragen lassen. Solche Aufwinde reichen mitunter doppelt so hoch wie das Hindernis. Der Hangaufwind war lange Zeit die einzige bekannte Energiequelle für längere Flüge. Er ist auch die beständigste. Bis die Weltvereinigung der Sportflieger (FAI) keine Dauerrekorde für Segelflüge mehr anerkannte, wurden alle Dauerweltrekorde im Hangaufwind durchgeführt. Der längste anerkannte Rekordflug dauerte immerhin rund 56 Stunden, fast doppelt so lange, wie Charles Lindbergh für seinen Flug New York-Paris benötigte. Wohlgemerkt, allein in einem Einsitzer geflogen! Leider hat der Hangaufwind einige wesentliche Nachteile: Erstens ist er nur in gebirgigen Gebieten anzutreffen, und zweitens ist die Höhe, die man mit ihm erreichen kann, sehr begrenzt. Er ist außerdem abhängig von Windrichtung und -geschwindigkeit. Längere Streckenflüge schienen damit nicht möglich zu sein. Immerhin erreichte Robert Kronfeld in einem Ausnahmeflug 1929 eine Flugstrecke von über 100 Kilometer. Man befürchtete aber Ende der zwanziger Jahre, daß die Begeisterung für den Segelflug bald erlöschen würde, wenn nicht eine leistungsfähigere Energiequelle erschlossen werden konnte. Diese Aufwinde entstehen, wenn Blasen aus warmer Luft vom Erdboden aufsteigen. Daher werden sie auch thermische Aufwinde oder kurz "Thermik" genannt. Allerdings muß noch eine zweite wichtige Voraussetzung erfüllt sein, damit wirklich nutzbare Aufwinde entstehen können: die labile Luftschichtung. Der Wirkmechanismus dieser Aufwinde und die Bedeutung der Luftschichtung wird bei einem kurzen Ausblick auf die Grundlagen der Physik deutlich: Beim Aufstieg in die Höhe dehnt sich die Luft aus, da der Luftdruck abnimmt. Dadurch nimmt gleichzeitig die Temperatur der aufsteigenden Luft ab. Wenn die Umgebungstemperatur mit zunehmender Höhe gleich bleibt, hat die aufsteigende Luft aufgrund ihrer Abkühlung in genügend großer Höhe schließlich die gleiche Temperatur wie die Umgebung. Dann hört die Steigbewegung auf. Eine solche Temperaturverteilung heißt stabile Schichtung und ist ungeeignet für die Entwicklung von Thermik. Da sich die Luft während des Aufstiegs zwischen 0,6 und 1 Grad je hundert Meter abkühlt, würde eine anfangs um 10 Grad wärmere Luftblase nur 1000 Meter steigen. In Wirklichkeit treten derart extrem große Temperaturunterschiede praktisch nicht auf. Selbst ein großes Kraftwerk mit seinen Kühltürmen würde nur einen wenige hundert Meter hoch reichenden Aufwind erzeugen können. Trotzdem gelingt es Vögeln und auch Segelflugzeugen in der Thermik viel höher zu steigen als nur wenige hundert Meter. Nun weiß zumindest jeder, der schon einmal in den Bergen war, daß die Umgebungstemperatur mit zunehmender Höhe normalerweise recht schnell abnimmt. Wesentlich ist nun, wie schnell genau die Umgebungstemperatur mit zunehmender Höhe fällt. Wird es schneller kälter, als die aufsteigende Luft während ihres Steigens an Temperatur verliert, bleibt die aufsteigende Luft trotz ihrer Abkühlung immer wärmer als die Umgebung. Dann steigt die Luft immer weiter, unter Umständen mehrere tausend Meter hoch. Wenn eine solche Aufstiegsbewegung erst einmal begonnen hat, erfaßt sie auch die umgebende Luft, die anfangs gar nicht wärmer war. Indem diese in höhere Lagen gelangt und dabei langsamer abkühlt, ist auch diese Luft schließlich wärmer als die Umgebung und trägt zum Aufwind bei. Aus der aufsteigenden Blase ist eine Art Schlauch geworden, ein sogenannter "Bart". Diese Temperaturverteilung der Atmosphäre nennt man eine labile Schichtung. Die labile Schichtung ist der tatsächliche Motor der thermischen Aufwinde und entsteht zum Beispiel, wenn kalte Luft in ein Gebiet einfließt, in dem der Boden durch mehrtägigen Sonnenschein erwärmt wurde. Dann erwärmt sich diese Luftmasse allmählich von unten her bis eine labile Schichtung erreicht ist. Die thermischen Aufwinde führen dann solange zu einem Temperaturausgleich zwischen unteren und oberen Luftschichten, bis wieder eine stabile Schichtung entstanden ist. Die Aufwinde benötigen bei labiler Schichtung dann nur noch einen kleinen Auslöser, um sich zu entwickeln. Dies kann eine punktuelle Erwärmung durch Sonnenschein sein, z.B. ein Fabrikdach. Oft reicht aber auch schon ein Traktor, der über ein Feld fährt, oder auch nur eine Unregelmäßigkeit in der Landschaft wie eine Waldkante, ein kleiner Hügel oder ein Sendemast. Eine extreme Folge von hochreichenden labilen Schichtungen ist das Gewitter, das entstehen kann, wenn die Luft auch gleichzeitig feucht ist. In den zwanziger Jahren geriet erstmals ein Segelflieger namens Max Kegel zufällig in eine Gewitterwolke. Nachdem er eine Viertelstunde orientierungslos in ihr herumgewirbelt wurde, fand er sich etwa 2000 m höher wieder. Diese Höhe nutzte er zu einem langen Gleitflug und landete rund fünfzig Kilometer von seinem Startplatz entfernt. Das brachte ihm den Spitznamen "Gewittermaxe" ein. Fortan waren Gewitterflüge recht populär, boten sie doch die Aussicht auf längere Flüge außerhalb der Hangwindzone. Außerdem sind Gewitter einfach zu erkennen und konnten somit gezielt angeflogen werden.
Die Welle Beobachtet man einen schnell fließenden Gebirgsbach, in dem ein großer Stein oder Fels liegt, so bemerkt man oft folgende Situation: Beim Überfließen des Hindernisses bildet das Wasser einen Buckel und hinter dem Hindernis eine Art Tal. Etwas dahinter folgt ein weiterer Buckel, obwohl sich an dieser Stelle kein Hindernis mehr befindet. Was man dort beobachtet, ist eigentlich nichts anderes als eine Welle, nur daß diese sich immer an der gleichen Stelle befindet, da sich anstelle der Welle das Wasser fortbewegt. In der Atmosphäre kann genau das gleiche Phänomen auftreten, vorausgesetzt, die Luftmasse verhält sich ähnlich wie das strömende Wasser, was bei einer stabilen Luftschichtung tatsächlich der Fall ist. An die Stelle der Steine treten Bergketten, die quer zur Windrichtung liegen. Insofern sind die Verhältnisse ganz ähnlich wie beim Hangwind. Befindet sich nun genau dort, wo die Nachschwingung wiederum einen Wellenberg hat, eine weitere Bergkette, wird dieser Wellenberg durch einen Resonanzeffekt deutlich höher sein, als der über der ersten Bergkette. Im Unterschied zum Hangwind findet man bei Wellenaufwinden die besten Steigmöglichkeiten nicht an der ersten Bergkette, sondern erst dahinter, also bei der zweiten oder dritten Welle. Daher spricht man auch von sogenannten Leewellen (Lee = windabgewandte Seite).
Das Vorhandensein von Bergen ist nun nicht, wie man meinen könnte, unbedingt erforderlich für die Entstehung von Wellenaufwinden. Auch andere Erscheinungen in der Atmosphäre können solche Aufwinde erzeugen, man spricht dann von Scherungswellen oder auch thermischen Wellen. Flüge in solchen extremen Höhen sind aufwendige Projekte, die eine lange Vorbereitung benötigen und bei denen extreme Anforderungen an die Ausrüstung des Piloten gestellt werden. Vor allem die Wärmeisolierung des Druckanzuges und die Zuverlässigkeit der Sauerstoffversorgung bei Temperaturen von unter -50 °C sind besonders wichtig. Fast schon überflüssig zu sagen, daß auch die körperliche Konstitution des Piloten außerordentlich stabil sein muß. Segelflugzeuge hingegen können von sich aus in solchen Höhen fliegen und müssen nicht weiter modifiziert werden. |